Künstliche Intelligenz (KI) gilt für viele Wirtschaftsbereiche als Hoffnungsträger für Wachstum und Effizienzsteigerung. Auch in der Pharmabranche sind die Ansätze zur Nutzung von KI vielfältig. Für den Healthcare-Sektor bergen vor allem neueste Entwicklungen interessante Potenziale: Deep Learning Systeme zur Entwicklung neuer Wirkstoffe und KI-basierte Simulationen als digitale Teststrecken in der Medikamentenentwicklung.
Die Einsatzbereiche für KI in Pharmaunternehmen sind vielfältig. So lassen sich schon heute intelligente Programme nutzen, um Fertigungsprozesse zu optimieren: Effizienzsteigerung und die Verringerung von Ausfällen sind hier die Hauptziele. Sehr hilfreich sind auch die Möglichkeiten zur Automatisierung von Dokumentationen in Prozessabläufen. Die Zukunftsaussichten hier: Dank KI laufen Dokumentationen zuverlässiger, schneller und mit weniger Fehlern als durch menschliche Akteure. Auch bei der Auswertung von Studien und für Trendanalysen bringen intelligente Systeme viele Vorteile.
Für die Forschung und Entwicklung in der Healthcarebranche besonders interessant sind jedoch Ansätze, die aktuell noch eher in den Kinderschuhen stecken, langfristig jedoch enormes Potenzial mitbringen. Dazu zählt die Möglichkeit, künftig mit Hilfe von Computerprozessen das Verhalten von Molekülen exakt vorhersagen zu können. Die Basis dafür liefern Informationen, die beispielsweise aus Hochdurchsatz-Screenings gewonnen wurden. Eingesetzt zum Testen von Medikamenten, versprechen sich Branchenexperten von diesen Anwendungen signifikante Zeit- und Kosteneinsparungen. Optimistische Schätzungen gehen davon aus, dass sich Medikamente dadurch in einem Viertel der Zeit und mit Dreiviertel der Kosten herkömmlicher Prozesse auf den Markt bringen lassen.
Noch einen Schritt weiter gehen Forscher der Harvard University: Aus sogenannten Deep Learning Systemen wollen sie Ideen für neue Wirkstoffe generieren lassen – gänzlich ohne aufwendige Simulationen.
In beiden für die Pharmaforschung interessanten Feldern steht die Entwicklung noch am Anfang. Um digitale Medikamenten-Tests mittels KI-Systemen weiter zu entwickeln, gibt es jedoch bereits fruchtbare Partnerschaften. So arbeiten Biotech-Startups wie Exscienta und BenevolentAI in ganz konkreten Projekten mit Pharmariesen wie GlaxoSmithKline, Sanofi und Johnson & Johnson zusammen. Die ersten konkreten Ergebnisse dürften in diesem Bereich deshalb nicht mehr lange auf sich warten lassen. Sie könnten der Startschuss einer ganzen Branche hin zu gänzlich neuen Prozessen in der Produktentwicklung sein.
Aktuell zeigen sich besonders zwei Risiken für Unternehmen, die auf KI-Systeme setzen: Investitions- und Kontrollrisiken. Wenn die vielversprechenden, auf künstlicher Intelligenz basierenden Ansätze die gewünschten Ziele doch nicht erreichen, sind Investitionen in Gefahr. Lassen sich hingegen funktionierende Systeme entwickeln, haben die Anwender mit ganz neuen Herausforderungen zu kämpfen: Der Kontrolle über immer autonomer agierende Computersysteme.
Während diese Risiken generell für den Einsatz von KI gelten, besteht für die Pharmabranche noch eine weitere große Unsicherheit: Wie werden Behörden und Zulassungsstellen auf die neue Form der Wirkstoff- und Medikamentenentwicklung reagieren? – Zweifelsohne ist dann eine Anpassung der Zulassungsprozesse und -vorgaben unumgänglich, um mittels künstlicher Intelligenz erzeugte Produkte vermarkten zu können.
Der Einsatz künstlicher Intelligenz hält für die Forschungsabteilungen der Pharmaunternehmen enormes Potenzial bereit. Um dieses Potenzial zu nutzen, muss allerdings momentan noch einiges an Pionierarbeit geleistet werden. Die Bereitschaft dazu in der Branche steigt.
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